Wer ist dieser Eminem?*

Warum ich Eminem zu Zeiten von “The Slim Shady LP” und “The Marshall Mathers LP” unhinterfragt super fand? Er hat mir viel zu schnell gerappt, als dass ich verstanden hätte, dass seine Texte problematisch sind. Die deutsche Journalistin und Autorin Antonia Baum hat sich damals ebenfalls in seine Musik verliebt – obwohl sie wirklich sehr genau hinhörte. Warum, erklärt sie in ihrem Buch “Eminem”.

Schon auf der ersten Seite stellt Antonia Baum klar: “Will man ein Buch über Eminem schreiben, hat man im Grunde fast alle Probleme, die man sich wünschen kann.” Der US-Rapper, der heute aussieht wie der ehemalige Eishockeyprofi Martin Gerber, sei nicht nur Verfasser frauen- und homofeindlicher Texte, sondern erst auch noch der kommerziell erfolgreichste Rapper eines Genres, das von Schwarzen erfunden wurde. Cleverer Einstieg, macht er doch alles, was kommt, auf einen Schlag noch viel geiler.

Das Büchlein lässt sich in maximal zwei Stunden lesen. Es sind zwei herrliche Stunden, in denen Baum den Künstler Eminem aber auch jedes Social-Justice-Warrior-Argument gegen ihn akribisch auseinandernimmt. Was für eine Arbeit, was für ein wertvoller Beitrag an die wirklich fundierte und wunderbar Ich-bezogene Kulturkritik (letzteres ist sie ja immer, soll sie auch sein dürfen, schreibt Antonia Baum ganz in meinem Sinne – auch wenn diese Tatsache “in von Journalisten, Kritikern, Germanisten und Jury-Mitgliedern durchgeführten Verkleisterungsaktionen, bei denen man sich gegenseitig die hohen Ansprüche bewies” immer mal “auf verlogene Weise verkleistert wurde”).

Auf rund 100 kleinen Seiten erfährt man zum einen, was Eminem (und wir reden hier eigentlich immer von seinen erfolgreichsten Zeiten Anfang der Nullerjahre) genau schrieb und vor allem, was er damit gemeint haben könnte und warum. Man erfährt auch, was er damit sicher nicht gemeint hat, weil hinter seiner Rollenprosa ganz andere Motive stecken, als der/die gemeine schockierte Hörer*in auf Anhieb vermuten könnte.

 

Kurz: Am Ende des Buches hat man als Eminem-Fan massiv stärkeres Argumentationsmaterial im Sack als Eminem-Hater. Ausser vielleicht, wenn es in die Phase der letzten Jahre übergeht, in denen der Rapper vorwiegend Schrott veröffentlichte. Doch selbst dafür findet Baum plausible Erklärungen.

 

Antonia Baum: “Eminem”, aus der Reihe “KiWi Musikbibliothek”. Das Buch kostet (wie alle anderen aus dieser Serie) 15 Franken und ist im Onlineshop von Bookette oder im Atomic Café in Biel erhältlich.

* Wir bemühen uns derzeit um mehr Sichtbarkeit auf Google. Unsere Texte sind offenbar leichter zu finden, wenn sie simple Wer-ist-Titel haben (stellen wir fest, seit “Wer ist dieser Juldem” immer und immer wieder angeklickt wird). Simple as that.

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