Sound of Rockette I

Wie die New Yorker Autorin Roxanne Gay in ihrer Masterclass sagte: Manchmal muss man eine gewisse Zeit mit einem Album zusammengelebt haben, um darüber schreiben zu können. Stimmt, doch manchmal auch nicht. In dieser neuen (hoffentlich monatlichen) Rubrik schreiben wir über Musik, mit der uns über kurz oder lang etwas verbindet. 

The Wallflowers: “Bringing Down The Horse” (1996)

Dieses Album hat mich durch eine Zeit begleitet, in der ich mich bei jeder Band, die mir gefiel, erst versichern musste, dass es keine christliche Rockband ist. Gut, in diesem Fall hätte ich mich locker bekehren lassen – ich war wirklich sehr verliebt in Frontmann Jacob Dylan (ja, das ist Bobs Sohn). Und was hab ich diesen einfältigen Country-Pop-Rock geliebt! Er war so anspruchslos, fügte sich gut in meine Gedankenwelt ein, untermalte meine Träumereien. Und geträumt hab ich damals von morgens bis abends. Ich lebte quasi ein zweites Leben ausserhalb meines Körpers – eins in einer US-Serie. Ich bin trotz aller Verbundenheit zu Songs wie “6th Avenue Heartache”, “Three Marlenas” und “Josephine” nie über dieses Debütalbum herausgekommen. Heute würde ich sagen: wohl, weil diese Band und ihre Musik so unfassbar langweilig sind. Dennoch höre ich das Album nach wie vor immer mal durch – so auch die Tage. Ich bin halt Hardcore-Nostalgikerin, egal wie öd die Begleitmusik ist, die mich meine Vergangenheit noch einmal nachempfinden lässt. Und alles in allem spricht wohl doch irgendwie viel für “Bringing Down The Horse”. (Miriam)

Other Lives: “For 12” (2011)

Ich bin gerade voll auf dem One-Song-Trip: “For 12” von der Band Other Lives, habe ich erst kürzlich entdeckt. Ich musste dieses Lied den ganzen Tag auf repeat hören. MUSSTE. Ich konnte mich nicht davon losreissen. Nach drei Tagen Dauerschleife habe ich immer noch nicht genug davon. Ich kannte dieses Lied nicht, ich kannte diese Band nicht, aber es hat ein Gefühl ausgelöst, das aktuell eh grad Herr meiner Lage ist: Es ist einfach schön. So! Schön! Und zwar so schön, dass ich bisher nur ein Song weitergekommen bin, nämlich zu “We Wait”, und das ist nicht einmal auf dem gleichen Album. Auch dieses Lied ist wunderschön. Weniger packend als “For 12”, aber es passt. Ich kann und will grad keine anderen Lieder hören. Weder von Other Lives, noch von Lemmy (kein Witz!). Other Lives haben mich mit diesen zwei Songs um den Finger gewickelt. Und es ist mir irgendwie sehr egal, rein gar nichts über die Band zu wissen. Oder andere Lieder zu kennen. Ich möchte grad einfach nur geniessen. Ich melde mich aber, sobald ich mehr weiss. Wird wohl noch eine Weile gehen, bis ich so weit bin. Adiö. (Aline)

Mylène Farmer: “L’autre” (1991)
Wir sind ja hausintern derzeit in einer 1991-Schlaufe gefangen. Was vor 30 Jahren (wir sind alt, verdammt!) alles für Alben rauskamen, könnt ihr hier nachlesen. Mich hat damals aber vor allem ein Album getriggert. Ich war 14, also irgendwo im tiefsten Teeniealter, mit all den üblichen Kollateralschäden. Die Entdeckung der Melancholie war eine neue Emotion und musikalisch wurde das in meinen Mikrokosmos vom Album “L’Autre” von Mylène Farmer untermalt. Sich in diesen dunklen Emotionen zu suhlen und das doch irgendwie schön zu finden, genau das besingt Mylène mit “Je t’aime mélancolie“. Das Album ist indes sosolala gealtert, die Synthis halt, aber das Duett “Regrets” mit Jean-Louis Murat schiebt mir immer noch einen fetten Kloss in den Hals. Ich bin aber erstaunt, wie gut ich nach all der Zeit, in der ich das Album schlicht vergessen hatte, beim Lied “Agnus Dei” lateinisch mitsingen kann, ohne ein Wort zu verstehen.

“Agnus Dei
Qui tollis
Peccáta mundi
Miserére nobis
Miserére nobis”

Geht hin, ihr gottesfürchtigen Lämmer! (Dominique)

 

Cats On Trees: “Please Please Please” (2021) (Single)

Other Lives, schreibt Aline. O my. Das war ein schöner Abend, es ist sehr lange her, in einem anderen Leben, liest du hier. Und Dominique, die Gute, spricht mir auch aus dem Herz, ich werde ja wohl forever in den 90ern herumsumpfen. Vielleicht gerade darum will ich hier jetzt mutig etwas top Aktuelles vorstellen, ein Singeli, an dem ich gerade etwas unfreiwillig hänge. Seit Monaten warte ich auf Nachschub, weil es im Juni hiess, “Cats On Trees stehen kurz vor der Veröffentlichung ihres dritten Albums”. Damals, als der Sommer noch verheissungsvoll vor uns lag (und heiss war!), fand ich: “Please Please Please” ist der ideale Sommersong. So träumerisch, grad so wie klingende Sonnenflecken auf dem Wasser. Jetzt ist Herbst, wir wissen es, und ich höre dem französischen Klavier-Schlagzeug-Duo immer noch zu, beim Marronisammeln, beim Füürlen, beim Bäumeanschauen. Das Lied hat seinen Zauber nicht verloren. Aber ich hoffe, das Album kommt bald, weil: In den Winter hinein schleppe ich den Song dann also nicht. Wobei es in “Please Please Please» schon darum geht, andere im Leben so akzeptieren, wie sie sind. Und das gilt ja dann auch für verzögerte Talente. (Nina)

Tags:

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.