Mein schlimmstes Konzerterlebnis

Ja, wir lieben Konzerte. Jede von uns Rocketten steht regelmässig vor irgendeiner Bühne im In- oder Ausland. Dass nicht immer alles nur super und toll sein kann, ist logisch. Deshalb an dieser Stelle einmal fertig mit Schwärmerei und Vorhang auf für unsere schlimmsten Konzerterlebnisse (welche waren eure? Bitte kommentieren, danke).

Act: The Wombats / Location: Alexandra Palace, London

Das Grauen ereignete sich im letzten Frühling. Schauplatz die riesige Konzertlocation Alexandra Palace im Norden von London. Dort spielte an einem Dienstagabend die britische Band The Wombats. Diese hatte ich einige Jahre zuvor schon im Kofmehl in Solothurn live gesehen und für toll befunden. Aber zurück nach London. Die Show war ausverkauft. Das Venue platzte bereits lange vor Konzertbeginn aus allen Nähten. In die Konzerthalle gelangte man durch die Food Hall, wo verschiedene Food Trucks stationiert waren. Der Food war dort aber nebensächlich. Der Star des Abends: Bier im Liter-Becher. Horden überdrehter Teenies schütteten sich damit zu, als gäbe es kein Morgen. Und, ich wiederhole mich, das am einem Dienstagabend (!!!). Mir schwante Böses. Zurecht. Bereits in den ersten 15 Minuten des Konzerts, musste die Band zweimal – mitten im Song – unterbrochen, da die Teens in der euphorischen und dicht gedrängten Masse kollabierten. So ging es dann auch weiter. Kotzende, kollabierende Teenies, die mich heftig von der eigentlichen Show ablenkten. Fazit: Das erste Konzert, das ich vorzeitig verliess. Schade, denn The Wombats legten trotz allem eine tolle Show hin, also während den paar Songs, die sie tatsächlich durchspielen konnten. (Melinda)

Act: SISTERS OF MERCY/ Location: Fri-Son, Fribourg

Es ist mir nicht recht, dass ich dieses Konzert hier aufführe, denn es fand an meinem liebsten Konzertort statt. Aber es war grottig, wie ich es schon einmal beschrieben habe (und schon einmal war das Adjektiv geklaut). Sisters Of Mercy, meine Jugend, meine Lieben. Ironischerweise war ich mit meinem Exfreund unterwegs. Mit dem konnte ich mich prima unterhalten, ich glaube jedenfalls, dass er es war, denn sehen tat man nichts. Das Konzert kurz vor Ostern war eine Rauchshow. Von A-Z. Es war furchtbar. An viel erinnere ich mich nicht, weil ich damit beschäftigt war, Luft zu bekommen. Das ist eigentlich schon alles, was es zu sagen gibt (und: Ich wusste von einigen, die auch da waren. GetroffenGesehen habe ich niemanden. Weil fumoir. )

Die Sonne geht auf über Manchester: Der namenlose Kubaner in the middle of fucking nowhere.

Act: THURSTON MOORE/ Location: The White Hotel, Manchester

Schlimmer war aber eigentlich ein anderes Erlebnis. Ich werde nicht gerne daran erinnert. Es hat gerade eben stattgefunden, in Manchester, das Konzert war mein Geschenk an Rockette Miriam, die Geburtstag hatte. Thurston Moore, Indie-Legende, Sonic Youth, Ex von Kim Gordon, das muss doch einfach super sein? Nein. Angefangen hatte es schon bei der Lesung, die voranging, sie war angekündigt als “Thurston Moore and Eva Prinz in conversation”. Eva Prinz ist seine neue Freundin, eine Verlegerin. Statt ihrer sass ein Musiktheoretiker da, und das Gespräch war nur etwas: A pain in the ass. So wie das Konzert. Horror. Wobei ja Konzert die Chose im White Hotel (nein, es sieht dort nicht so aus, wie ihr euch das vorstellt) nicht trifft. “Heiteres Zupfen und bedeutungsschwanger ins Publikum starren, während sich ebendieses den Arsch abfriert” wäre passender. Aber lassen wir das. Ich möchte es vergessen. In Erinnerung behalte ich aber auf ewig den Kubaner im Foodtruck im gottverlassensten Industrieviertel von ganz England, was ja etwas heissen tut. Er hat mir Chips serviert und mir vorgeführt, was es bedeutet, wenn jemand einzig mit seiner Anwesenheit die Sonne aufgehen lassen kann. Yeah, Kitsch! (Nina)

Act: U2 / Location: Letzigrund, Zürich

Ich habe in meinem Leben sehr sehr viel gesehen: Hansi Hinterseer, David Hasselhoff, Luca Hänni, Piero Esteriore, Francine Jordi und Florian Ast, als sie in jeder Hinsicht zusammen waren … davongelaufen bin ich nur bei U2, 2010 im Zürcher Letzigrund. (Nein, das stimmt nicht. Das Konzert der SRF3-Cashcow Kaufmann vor zwei, drei Wochen ist mir auch gar nicht gut bekommen. Aber den nehm ich auf mich, mit Gesülze wie “dort ist im Fall die Crème de la Crème der jungen Schweizer Musikszene” sollte man sich auch nie locken lassen.)

Bono, der selbstverliebte Schmiervogel, schon nach zehn Minuten war ich skeptisch. Zu stark fühlte ich mich an meine zwei Wochen in einem Bible Camp im Bible Belt der USA erinnert, wo ich erlebt habe, wie eine Menschenmenge unter der Knute eines schwer dubiosen Prediger-Schönlings in Trance fiel. Da braucht es bloss einen sogenannten Gutmenschen, der ein paar wohlwollende Floskeln von sich gibt, die man mit einem “Eimen” abnicken kann – und schon schalten die Leute ihre Urteilsfähigkeit aus. Gut, es ist ja leider auch absolut unmöglich, Bono nicht durch eine rosarote Brille zu betrachten – ein cleverer Siech ist er ja schon.

Jedenfalls, ich bin schon vor der Hälfte nach Hause gegangen. Und habe an Hansi Hinterseher gedacht. Der hat ja eine ganz ähnliche Art wie Bono, sieht sich auch als eine Art Heiliger und steht sogar allein auf der Bühne, damit ihm niemand die Show stehlen kann. Aber Hansi Hinterseer nennt sich immerhin dann auch konsequent Schlagersänger – und nicht Rockstar. (Miriam)

Act: Lenny Kravitz / Location: Patinoire du Littoral, Neuchâtel

Wir schreiben das Jahr 1993, es war gerade Mal der Beginn meiner Konzertkarriere. Was haben wir uns auf Lenny gefreut, zarte 17 waren wir, ein Konzert von einem Megastar so nah an Biel, so gross. Nun, das Konzert von Lenny würde ich nicht als solches definieren wollen, nach zwei halbbatzig mit Playback geschrummelten Liedern fasst sich der schlechtgelaunte Lenny theatralisch an die Stirn, Fieber simulierend “I’m not supposed to be here tonight” und verschwand von der Bühne.

Kleiner Trost für die teuren Tickets: Als Vorband spielte Andrew Strong, bekannt aus dem Film “The Commitments”. (Domi)

Act: Blakfish/ Location: Bierhübeli

Gut, ich gebe zu, vor neun Jahren war ich absolut besessen von Biffy Clyro. Und damit hatte es jede Vorband schwer, die mir die Wartezeit zum Main Act zu versüssen versuchte. Aber am 9. Februar 2010, als die Schotten im Bierhübeli spielten, war eine der Vorbands die Formation Blakfish. Und ich fand sie absolut grauenhaft.

Ob ich den Sound auch heute noch so schlimm empfinden würde – wir werden es nie wissen, denn die Truppe hat sich zwei Tage nach diesem Auftritt aufgelöst. Bis heute glaube ich, meine beste Freundin und ich waren ein bitzeli mit schuld. Wir fanden das Konzert von Blakfish an diesem Abend so dermassen furchtbar, dass wir uns in der ersten Reihe irgendwann mit dem Rücken zur Band gedreht haben. Um das Grauen auszublenden. Aber auch, um vor der Spucke in Deckung zu gehen, die kurz zurvor meiner besten Freundin im Auge gelandet war (wääääääääääääh!!!!!). Kurz: Wir fanden die Band so schlecht, wir fanden kaum Worte dafür.

Nach dem Konzert warteten wir am Backstage-Door auf unseren Buddy aus der Crew von Biffy Clyro. Dummerweise hiess der sehr ähnlich wie ein Mitglied (oder jemand aus der Crew) von Blakfish. Wir fragten also nach dem Namen und der falsche “Kurt” (oder Kirk?) kam zu uns. Unsere Reaktion war so mässig begeistert, dass wir wohl nur etwas im Stil von “Nein, dich haben wir nicht gesucht” geantwortet haben. Das hat Blakfish vielleicht den Rest gegeben. So kam es uns zumindest vor, als wir zwei Tage später erfuhren, dass sie sich aufgelöst hatten. Na gut, vermutlich nicht wegen uns. Aber unsere Hass-Tiraden und unser zugegeben damals sehr respektloses Verhalten dem Auftritt gegenüber hat der Band sicher keinen Auftrieb zum Weitermachen beschert. (Gisèle)

Act: The Cure/ Location: Paléo Festival

Ich war müde. Mir tat alles weh. Es war nach einer harten Woche am Gurtenfestival. Und es war heiss. Der heisseste Tag des Sommers wohl. Trotzdem freute ich mich. Das Paléo ist toll. Wir gingen los. Möglichst leicht bekleidet. The Cure würde spielen. Die waren ein bisschen an mir vorbeigegangen und ich ging mit, weil ein Freund sie unbedingt noch einmal sehen wollte. Kaum auf dem Paléogelände angekommen hiess es überall. “Restez calme”, wenn dann das grosse Gewitter kommt. “Ne paniquez pas”. Na toll. Es war acht Uhr und The Cure würde um Mitternacht spielen. Tatsächlich fing es bald darauf zu regnen an. Und wir, wie gesagt, leicht bekleidet. Wir kauften eine bekloppte Pelerine und setzten uns in ein Weinzelt und warteten. Irgendwie war auch der Wein meiner Stimmung nicht zuträglich.

Endlich war Mitternacht und die Band kam auf die Bühne. Und sie wollten nur eines: spielen. Das taten sie. Ohne Pause, ohne witzige Einlage, ohne Anekdote. Dabei hätte Robert Smith das Witzig-Sein schon drauf. Aber nein. Lieber reihten sie eine unzugängliche Nummern mit minutenlangen Instrumental-Teilen an die nächste. Herrje. Mein Kopf tat weh und es regnete darauf. Die Band war nicht wirklich eine Cure. Ich wollte heim. Damit war ich alleine. Der Initiant des Ausflugs neben mir war vor Glückseligkeit nicht mehr ansprechbar. Wie lange noch? Herrgott. Erst 20 Minuten vorbei.  Das Konzert sollte 2,5 Stunden dauern. Es war Friday und ich alles andere als in love. Also ging ich. Meinen dumm-glücklich grinsenden Freund liess ich stehen. Er erzählt noch heute begeistert von dem Konzert … (Julia)

(Hauptbild: Rockette; GIFs: www.giphy.com)

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