Wie immer im Juni schleichen sich Canzonette in mein Leben. Sie blieben nie lange, höchstens bis Ende Monat, und sie bedeuten für mich: Felicità.
Dieses Jahr war ja vieles, aber nicht alles anders. Den Moment, in dem Italien endlich den ESC gewann, habe ich verpennt. Vielleicht zum ersten Mal in meiner persönlichen Geschichte des ESC. Dabei hätte ich bei der Siegerband Måneskin nicht gerade mitreden können, aber immerhin ein bisschen mit-nicken: Mein Musikdealer (was das ist, liest du hier) hatte Sanremo geschaut und mich schon lange vor diesem Abend dahingehend informiert, dass das die neuen ESC-Sieger sein würden.
Jetzt ist ein paar Wochen später, ESC vergessen, eine EM hat begonnen, in Rom, ich weiss das, obwohl mich das ungefähr gleichwertig interessiert wie der ESC (dio mio. Was hat diese Pandemie mit mir gemacht?), und ich schlag mich trotzdem mit Italienern rum. Nicht den Fussballern. Sondern den Canzonette, sagt man ihnen glaubs, das wären dann Italienerinnen, diese schönen, klebrigen Liedli auf Italienisch.
Wie jeden Juni.
Seit ich einst, also vor kraaassen 30 Jahren, die Kassette “Una notte italiana” geschenkt bekam, suchen mich Italoschlager heim, sobald die Sonne mal ein bisschen länger scheint im Frühling. Und ich meine dann nicht öppen die richtigen Cantautori. Sondern die Schnulzen. Die Gassenhauer. L’Azzuro. Sono una italiana vera, haha.
Was natürlich nicht stimmt, also maximal zu einem Achtel. Und bis vor zwei Jahren hatte ich Italien wenn möglich grosszügig umfahren (resp. ich kam nie weiter als ins Tessin), nicht, weil ich es nicht schön finde, aber es gab halt so viel Interessanteres zu bereisen.
Aber eben, im Juni waren und sind sie trotzdem immer da. Adriano Celentano macht sich in meinem Leben breit, meist, wenn ich am Kochen bin. Ich summe am Morgen schon irgendwas von Ricchi e Poveri. Und brennpeterle Lebensweisheiten von Al Bano & Romina Power auf Schneidebrettchen. Manchmal (oft) singe ich sehr laut mit, ich kann vieles auswendig, selbst wenn ich im richtigen Leben jetzt nicht immer, also selten, einen geraden italienischen Satz hinbekomme. Auf meinem Haussender SRF1 (schau hier eine Liebeserklärung von Gastautorin Janine) ist jedes fünfte Lied ein italienisches Stück. Ci sono canzoni che non mi stanco mai di ascoltare. Ich hoffe, das ist korrekt. Und wenn nicht, auch egal, weil: Sie machen mich eh einfach glücklich.
Ich weiss nicht, warum das so ist. Das Wetter? Vielleicht. Und eine diffuse Sehnsucht nach dem Süden, die nie gestillt werden wird.
Im Juli jeweils ist dann der Süden hier, hitzetechnisch jedenfalls, und die Schlager verreisen wieder – mein Unterbewusstsein braucht sie wohl dann einfach nicht mehr.
Bald ist es soweit – Juli. Und ich wohl vielleicht sogar wieder mal in Italien. Bis dann sag ich leise: Lasciatemi cantare.
PS: Kennt ihr auch jemanden, der bei Eros immer statt “canzone” “calzone” verstanden hat?
PPS: Hier liest du die entsprechende Schlagerette.
PPPS: Und hier noch ein Stückli über Eros und einen Wet-Shirt-Contest
PPPPS: Nur einmal ging ich zu den canzoni und nicht umgekehrt. Ich war im Juni auf Sizilien, es ist noch nicht so lange her, wie es wegen der Fuckpandemie den Anschein macht. Ich badete damals in Spaghetti alla norma, hing an heruntergekommenen Hotelbars rum und hörte mir an, was es dort eben gerade zu hören gab (und das war, nun ja, nicht gerade Al Bano, aber Paolo Conte und italienischer Schrummeljazz und einmal sogar Alice).