Hintersinnig schön

Joanna und Martina gehören zu den klügsten Menschen, die ich kenne. Dass sie jetzt mit «Glowfish» auch noch eine Band haben, und zwar eine verdammt gute, hat mich nur am Anfang etwas jalouse gemacht.

Jetzt bin ich froh, dass es diese Band gibt. Und ich staune. Bisher wusste ich nicht, dass Joanna Nowotny Songs schreibt, dass sie singt und Gitarre spielt. Wir haben zusammen studiert und die Arbeit für einen cholerischen Professor hat uns zusammengeschweisst. Trotzdem hat sie nie von den Songs erzählt.

«Diesbezüglich war ich scheu», sagt sie heute. «Ich hatte Angst, die Songs öffentlich zu machen, geschweige denn, sie zu performen.» Bis sie verstanden habe, dass sie sich vor den Reaktionen der Menschen fürchtete, Angst hatte, dass es jemandem nicht gefallen könnte. «Aber damit muss man umgehen können. Es finden nie alle alles gut.» Also begann sie, mit Martina Schönbächler, die auch mit uns studiert hat und die Backings singt, und Gitarrist Daniel Jutzi auf Tour zu gehen. In einem Auto mit mobiler Bühne sind sie durch die Westschweiz gefahren. «Es fägte mega» und sie hatten Lust weiterzumachen. Mit der Zeit veränderte sich die Zusammensetzung der Band. Seit zweieinhalb Jahren gehören nebst den beiden Frauen Lugi Luginbühl an der Gitarre und Tobias Nägeli am Bass dazu. Vor Kurzem ist Martina aber ins Ausland gezogen, weshalb Tobias und Lugi die Backings übernehmen. Joanna bringt weiterhin die Songs und sie feilen gemeinsam an den Arrangements.

Glowfish

Böse, liebeskummrig und verliebt

Jetzt haben sie ihre erste EP herausgegeben. Als ich sie gehört habe, war ich überrascht. Die fünf Songs, die nach Chanson, Folk, Jazz und Pop tönen, haben liebliche Melodien. Sie sind zugänglich, eingängig und wunderbar gesungen. Ich hätte geglaubt, dass das Ganze experimenteller, intellektueller daherkommen würde, wenn ich mich an unsere Studienjahre erinnere.

Tatsächlich habe sie früher gedacht, «das Schöne kannst du nicht bringen», erzählt Joanna. «Ich meinte, ich müsste immer experimentelle, gesuchte Musik schreiben. Irgendwann habe ich aber eingesehen, dass mir das Zugängliche selbst besser gefällt.» Sie habe zwar noch immer den Anspruch, dass der Aufbau der Lieder komplex und durchdacht sei, sie sollen sich aber einfach anhören.

Was ihr besonders gefalle, sei, den schönen Melodien zynische, mehrdeutige Texte hinzuzufügen. «Die Songs sollen hintersinnig sein.» Und das sind sie. Um die sie zu verstehen, muss man gut hinhören. Dann fallen bitterböse Sätze auf. Wenn sie in «Absolution» etwa über einen Verflossenen schreibt, der sie schlecht behandelt hat, und mit dem sie nichts mehr zu tun haben will:

«If you’re lost in confusion I will tell you to leave to keep your dignity before my brain leaks out of my ears.»

Trotz – oder gerade wegen – der Hintersinnigkeit sind in den Songs aber auch einfache Gefühle erkennbar. In «The Pause Between Beers» beschreibt sie Liebeskummermomente:

«Now I know that things are never gonna be the same, tomorrow it is gonna rain again. »

Und die erste Verliebtheit kommt in «Something Sweet» ganz zaghaft und zärtlich zum Vorschein. Aber eben, die Hintersinnigkeit: Wenn sich im Refrain ein Atemzug zu einem Seufzen wandelt und sich daraus schliesslich ein Schrei ergibt, weiss man wieder nicht, was in dieser Geschichte genau passiert.

«Ist wohl besser so» 

Dass Joanna Literatur studiert hat, merkt man etwa auch an Kafka-Referenzen. Die genaue Ausführung dazu erspar ich euch jetzt, vielleicht findet ihr sie selbst. Jedenfalls sind die Geschichten in den Songs nicht zwingend ihre eigenen, denn – entschuldigt, ganz ohne literaturwissenschaftlichen Jargon komme ich trotzdem nicht aus – , l’auteur est mort. Es spielt keine Rolle, wer sie als Songschreiberin ist. Wichtig ist einzig, was in den Texten passiert. Und so vermischen sich darin Geschichten von anderen Menschen und Erzählungen, die sie irgendwo aufgeschnappt hat. «Viele wissen gar nicht, dass sie in meinen Songs vorkommen», sagt Joanna und lacht. «Oft ist es wohl besser so». Wer weiss, vielleicht geht es hie und da sogar um den cholerischen Professor.

Glowfish live sind am kommenden Dienstag 29. Juni um 18 Uhr auf Kanal K zu hören.

 

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