Wenn Passenger einen Song schreibt … ist Rockette dabei!

Heute erscheint das neue Album von Passenger mit dem Titel “Songs for the Drunk and Broken Hearted”. Was darauf zu hören ist, und welche Musiktipps er sonst noch für uns hat, erzählte er uns im Zoom-Interview. Und auch, dass Rockette beim Entstehen eines Songs zugegen war. Zufällig!  

Mit “Let Her Go” feierte Passenger 2012 seinen internationalen Durchbruch (Nummer 1 in 19 Ländern und bis heute fast drei Milliarden Aufrufe auf YouTube). So bin auch ich damals auf den Singer-Songwriter aus Brighton gestossen und war sofort Fan von seiner besonderen Stimme und den ehrlichen Texten. Passenger, der eigentlich Mike Rosenberg heisst, ist für mich der Inbegriff eines Geschichtenerzählers. Mit seinen Lyrics malt er Bilder, die in meinem Kopfkino zum Leben erwachen. 

Auf seinem neuen Album, “Songs for the Drunk and Broken Hearted”, tut er das mehr denn je. Es ist tatsächlich schon das dreizehnte Album des 36-Jährigen. Passenger gibt in unserem Interview via Zoom selbst zu, dass er seine Alben in der Vergangenheit recht rasch rausgehauen hat, um dann gleich wieder damit auf Tour zu gehen – oder zu busken, was er bis heute oft und gerne tut. Doch 2020 war alles anders. Die Pandemie schickte auch Passenger in die Zwangspause …

Passenger im Musikvideo zu "Runaway" (2018).

Rockette: Das Album war für Mai 2020 angekündigt, wegen der Pandemie hast du die Veröffentlichung aber verschoben und alles nochmal überarbeitet. Dabei sind auch drei neue Songs entstanden, die jetzt – anstelle von anderen – auf dem Album sind. Wie beurteilst du die Auswirkungen der Pandemie auf den Album heute?

Passenger: Es war eine lange Reise, bis zum Release und fühlt sich jetzt wunderbar an. Es stimmt, ich habe während des Lockdowns drei neue Songs entwickelt und dem Album hinzugefügt. Ein paar andere habe ich dafür wieder entfernt, da sie mich beim Hören des fertigen Albums irgendwie nicht mehr ganz überzeugten. Die neuen Songs haben dem Album sehr gut getan und die ganze Platte nochmal auf ein anderes Level gebracht. Das Ganze war eine gute Lektion für mich. Die Zeit zu haben, sich alles nochmal in Ruhe anzuhören, es setzen zu lassen, ich denke, dass hat das Album um einiges besser gemacht. Bei all dem Negativen 2020, war das definitiv ein kleiner Lichtblick. 

Eines dieser im Lockdown entstanden Lieder, “Sword from the Stone“, ist nun sogar der Eröffnungssong des Albums und du bezeichnest ihn als einen deiner Favoriten.

Genau, ich liebe diesen Song. Darin geht es um meine Gefühlslage im Lockdown. Aber ich denke, er transportiert eine sehr universelle Lockdown-Emotion. Ich habe ihn im Vorfeld Freunden, Familie oder Berufskollegen vorgespielt und alle konnten gleich etwas damit anfangen. Ich glaube ehrlich, das war die beste Resonanz, die ich je auf einen Song bekommen habe. 

Das grosse Thema des Albums ist aber Herzschmerz. Laut Medienmitteilung hast du den Grossteil der Songs geschrieben, als du gerade frisch getrennt warst und dich verletzlich, unsicher und allein gefühlt hast. War die Arbeit am Album also deine Art mit der Trennung und dem Liebeskummer umzugehen und diesen zu verarbeiten?

Eigentlich ist Songwriting immer meine Art mit schwierigen Situationen im Leben umzugehen. Alles, was ich erlebe und fühlte, fliesst in meine Songs. Ich habe mich immer sehr glücklich geschätzt, dieses Ventil zu haben. Jeder durchlebt schwere Zeiten. Die Möglichkeit zu haben, all das in etwas hoffentlich Schönes zu verwandeln, hilft mir sehr. Und hoffentlich dann auch anderen Menschen, die gerade Ähnliches durchmachen. 

Welche Musik hörst du denn, wenn du traurig bist, bzw. hilft dir gegen Liebeskummer?

Ich liebe es, Musik zu hören. Gerade wenn du eine solche Phase durchmachst und emotional angeschlagen bist, dann bekommt das Musikhören plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Du nimmst die Songs und Texte anders wahr. Ich habe zuhause eine Plattensammlung mit Werken aus aller Welt, aber nie Zeit, mir diese anzuhören, weil ich immer auf Tour bin. 2020 hatte ich endlich mal Zeit dafür und habe einige davon tatsächlich zum ersten Mal gehört. Es war toll, mal wieder ein Album von A-Z durchzuhören und nicht nur einzelne Songs durcheinander, auf Spotify, das habe ich sehr genossen. 

Dann hast du doch sicher eine besondere Empfehlung für uns?

Definitiv “The Weatherman“, ein Album meines guten Freundes, Gregory Alan Isakov. Das hat während dieser Zeit einige Runden auf meinem Plattenspieler gedreht. 

“Songs for the Drunk and Broken Hearted” ist bereits dein 13. Album. Inwiefern hat sich deine Art Songs zu schreiben in dieser Zeit verändert?

Puh, ich werde alt! Also früher habe ich sicher immer versucht, möglichst clever zu sein, sprich ich wollte bei jedem Song beweisen, dass ich ein cleverer Geschichtenerzähler bin, möglichst poetisch sein und reimen. Heute habe ich diesen Druck, dass ich mich beweisen muss, nicht mehr so stark. Ich denke, meine Art Songs zu Schreiben ist heute etwas vereinfachter als früher. Vielleicht passiert inhaltlich weniger, dafür können die Songs quasi besser atmen. Es fühlt sich auf eine hoffentlich gute Art reifer an. 

Du hast kürzlich eine Video-Trilogie zu den Songs “A Song for the Drunk and Broken Hearted“, “Suzanne” und “Remember to Forget” veröffentlicht. Wie kam es dazu?

Ich hatte schon lange diese Idee, mehrere Musikvideos mit einander zu verbinden. Clips, die für sich alleine funktionieren, aber eben auch miteinander verwoben sind. Das umzusetzen erforderte aber ein grosses Team, viel Arbeit, Zeit und Geld. Dieses Mal hat sich irgendwie alles gefügt. Da ich das Album während der Pandemie fertiggestellt habe, und jetzt veröffentliche, war mir klar, dass ich nicht alles wie gewohnt machen konnte. Ich konnte nicht raus gehen und auf der Strasse spielen, keine Konzerte oder Festivals spielen oder Promo im Radio und Fernsehen machen. Also waren die Videos eine gute Alternative, auf das Album aufmerksam zu machen. 

Verschiedene Charaktere spielen in diesen Songs und Videos die Hauptrolle, etwa “Suzanne”, ein alterndes Partygirl oder in “Remember to Forget”, der Typ, der alleine im Pub sitzt. Basieren diese auf Personen aus deinem Leben?

Ich habe es immer schon als starkes Werkzeug empfunden, Charaktere zu erschaffen, ob fiktional oder basierend auf Leuten, die ich getroffen habe, und deren Geschichten zu erzählen. Das gibt dem ganzen eine neue Dimension. Ich selbst bin sehr langweilig, immer aus meiner Perspektive zu schreiben ist begrenzt. Geschichten müssen aber nicht von Napoleon oder Winston Churchill usw. handeln. Ich glaube eine Suzanne hat zum Beispiel jeder schon mal getroffen, mit ihr kann man sich identifizieren. Manchmal steckt die wahre Schönheit im Alltäglichen. 

Mein Lieblingssong auf dem Album ist “London in the Spring“, weil ich selbst Fan von der Stadt bin, und mich beim Hören des Songs in sonnige Frühlingstage in den Strassen Londons zurückversetzt fühle. Eigentlich an einen speziellen Tag, im Mai 2018, als ich in London lebte und dich zufällig live am Bahnhof Waterloo spielen hörte. 

Als ich Mike von dieser Erinnerung erzähle, wird sein Grinsen immer breiter. Dann sagt er:
Das ist jetzt wirklich lustig, dass du das sagst, denn “London in the Spring” habe ich ehrlich exakt an diesem Tag im Mai 2018 geschrieben. Ich kann mich noch gut an den Gig in Waterloo erinnern und wie warm und sonnig dieser Frühlingstag war. Als wir mit dem Auto zur Station gefahren sind, hat alles so schön ausgesehen, dass ich mich direkt inspiriert fühlte. Auf der Rückbank des Autos begann ich dann, die ersten Lyrics zu notieren. Es ist definitiv ein Love Song für London. Mit allem, was aber in den letzten Jahren, und jetzt mit dem Brexit, in England passiert ist, hat er aber auch einen traurigen und enttäuschten Unterton.

It often seems to me, we spend our lives
Talking foolish, running blind
And we forget how to enjoy the simple things
Like walking through London in the spring

Gerne hätte ich Passenger noch gefragt, ob er ein Lieblingspub in London hat, aber da ist die Verbindung plötzlich abgebrochen und dem Interview damit ein abruptes Ende gesetzt. Hach, diese Technik, ein Fluch und Segen zugleich. Hoffentlich finden Unterhaltungen bald wieder live, anstatt am Bildschirm statt. Und Konzerte auch! Apropos: am Sonntag, 10. Januar spielt Passenger ein Streaming-Konzert live aus der Royal Albert Hall in London. Am 14. März diesen Jahres sollte er dann wirklich echt und live im Volkshaus in Zürich auftreten (ohne Gewähr!). 

PASSENGER: Songs for the Drunk and Broken Hearted, out (Black Crow Records)
Nice to know: für jede über den Passenger-Online-Store verkaufte physische Kopie des Albums, wird ein Baum gepflanzt und die Verpackung ist aus 100% recyceltem Material hergestellt. 

(Hauptbild: via Facebook @PassengerOfficial/Mila Austin; GIF: www.giphy.com )

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