Musikalische Kartonsammlung feat. The Failures

Unser Gastautor Marcel wollte eigentlich nur kurz ins Büro, normalerweise braucht er dafür fünf Minuten zu Fuss. Aber er hat die Kartonsammlung unterschätzt. Begleitet haben ihn auf dem Arbeitsweg Liedtitel von The Failures. Ihr merkt dann schon warum. 

the failures
Organisez votre déménagement avec The Failures.

Mittwoch, 16.22 Uhr, Walking on the Sun

Fertig Homeoffice für heute. Raus aus dem Haus und an die frische Luft. Ich laufe unsere Strasse runter. Eigentlich wollte ich nur kurz ins Büro, das wenige hundert Meter entfernt ist. Beim Nachbarhaus werde ich aber zum ersten Mal ausgebremst. Von Werner, dem rüstigen Rentner. Er ist beladen mit Karton, stellt diesen auf das Trottoir.  Offensichtlich ist morgen Kartonabfuhr, ich bedanke mich bei ihm für den indirekten Hinweis.

Ein paar Meter weiter öffnet sich eine weitere Haustüre. Alex, frischgebackener Rentner, tritt aus dem Haus. Auch er trägt Karton auf die Strasse. Ich frage ihn, ob gerade der grosse «Alle-Rentner-bringen-ihren-Karton-raus»-Moment ist. Er lacht. Mit Alex beginnt nun der Walk of Music. Vor zwei Jahren durften mein Bruder und ich an der grossen Geburtstagparty zum 65. von ihm und seinen Kollegen in der Kulturgarage als DJs auflegen. In einem Kaff wie Solothurn sind Kollegen in dem Alter schnell mal ehemalige Krokus-Jungs. Um genau zu sein, der ehemalige Krokusdrummer Freddy Steady spielte zum gemeinsamen Ehrentag mit seiner neuen Band Piledriver Status-Quo-Covers. Wir sorgten in den Pausen für die musikalische Untermalung. War uns eine Ehre. Laut Gerüchten soll Alex übrigens eine top Plattensammlung haben, er war anscheinend mal Geschäftsführer oder Besitzer eines Plattenladens in Bern.

piledriver
Rentner-Geburi-Sause in der Kulturgarage Solothurn. Piledriver.

Mittwoch, 16.33 Uhr, Think Bigga

Ich bin noch immer auf dem Weg ins Büro, ich biege einmal rechts und dann ein paar Meter weiter  nach links. Mike tritt aus dem Haus stellt seinen Karton ebenfalls raus. Zwar ist er noch kein Rentner, aber auch er ehemaliger Plattenladenbesitzer. Lange führte er den Plattenladen Tribe Music in Solothurn. Aktuell verkauft er neben seinem Brotjob Platten über Discogs, über mangelnde Nachfrage kann er sich nicht beklagen. Und er ist Drummer bei The Failures. Die hatten es einmal aufs Line-Up des Roskilde Festivals geschafft. Am Anfang Ihrer Karriere vor dreissig Jahren spielten sie Bratgitarren-Musik mit Reggae-Einschlag, und das ziemlich erfolgreich, nicht nur in der Crossover-Bubble. Heute spielen sie eher Alternative Rock mit Folk-Einflüssen.

Mittwoch, 16.38 Uhr, We Follow

Mike bittet mich rein und zeigt mir seine ausgewählte Plattensammlung. Ich komme auf seine Band The Failures zu sprechen, seit längerem würde ich gerne eine Show mit ihnen organisieren, in der sie einfach ihre alten Sachen spielen.  Mike scheint weniger begeistert und schlägt eine Radioshow vor. Ich insistiere auf ein Konzert. Ich sei nicht der Einzige, der diesen Wunsch hat, grummelt Mike. Das Verhältnis zu der Musik, die sie vor mehr als zwanzig Jahren erfolgreich gemacht hat, ist wohl nicht das einfachste. Bei den letzten Konzerten haben sie sich immerhin durchgerungen, wenigstens ein Medley der alten Lieder zu spielen. Mit ihrem früheren Sound schafften sie es nebst Roskilde, sogar im legendären CBGB’s in New York ein Konzert zu spielen. Aber eben, sie sind aus den alten Liedern herausgewachsen. Jä nu. Ich habe es probiert.

Themawechsel.  Er zeigt mir noch seltene Platten von Great White und Patent Ochsner und zieht dann das letzte Album von The Failures hervor, das sie kurz vor dem Lockdown veröffentlicht haben. Ich muss ihm peinlicherweise gestehen, dass ich die Platte nicht erworben, sondern nur auf Spotify angehört habe. Schöner Moment, zuerst einem Musiker zu sagen, sie sollen doch wieder ihre alten Sachen spielen und dann drei Sätze später beichten zu müssen, dass man seine neuste Platte weder richtig gehört, noch gekauft hat.  Er drückt mir ein Exemplar in die Hand und schenkt es mir. Ich verspreche ihm, etwas über die Platte zu «machen», bedanke mich und mache mich dann endlich auf den Weg ins Büro.

The Failures
Kartonsammlung mit The Failures

Mittwoch, 16.45 Uhr, The Call

Bei der Jumbo-Kreuzung sehe ich von weitem Mirco mit dem Velo vorbeifahren, er ist seines Zeichens Gitarrist von Cosmonoz. Ich rufe ihm zu, doch er hört mich nicht. Easy, denke ich, wir haben ja nächsten Mittwoch abgemacht. Jetzt fehlt auf dem musikalischen Arbeitsweg eigentlich nur noch CvR, der auch gleich um die Ecke wohnt, ihn oder seine Tochter kreuzen wir regelmässig. Bis jetzt noch inkognito.

Mittwoch, 17.15 Uhr, Good Idea

Eine Nachricht von Mirco erreicht mich.  Er wartet beim Getränkegrossmarkt und fragt mich, an welchen Mittwoch wir denn abgemacht hätten. Offenbar haben wir nicht denselben Mittwoch gemeint, verschieben unser Bier um eine Woche, weil ich muss ja noch ins Büro.

Mittwoch, 19.15 Uhr, Drinking Song on Major Tom

Wieder zu Hause, höre ich die Doppel-LP mit drei bespielten Seiten von The Failures. Sie wird besser mit jeder Seite. Mit «Girls on Roller Skates» geht es flott los. «Everyone is» und «American Dream» sind meine Favoriten. Auch «Echoes» überzeugt.  Die Produktion hat internationales Niveau. Sie können gute Lieder schreiben, und musikalisch gefallen mir sogar die neuen The Failures. Die Texte sind hauptsächlich auf Englisch, aber sie haben auch Lieder auf Mundart, Deutsch und Französisch. Ich finde die fremdsprachigen Texte stehen ihrer Musik etwas besser zu Gesicht, aber vielleicht ist Mundart einfach etwas ungewohnt. Das Cover Pierre Alain Münger ist wunderschön bunt, auf der Innenseite der Hülle sieht man die vier Bandmitglieder. Anfang April haben sie ein weiteres Video zur Platte zum Song «Untergehn» veröffentlicht. Ich würde es ihnen gönnen, wenn Ihre Platte nochmals einen Schub erhält durch dieses Video.

Von mir aus können sie an ihrem Throw-Back-Konzert auch ein paar neue Sachen spielen. Gell, Mike.

 

DJ Team PlusminusGastautor Marcel kennt ausser CvR das musikalische Who-is-Who von Solothurn.  Aber das hindert ihn nicht daran, markige Sprüche zu klopfen und dann klein beizugeben. Marcel trägt gerne Band T-Shirts, vor allem von Pearl Jam. Roland trägt auch gerne Band T-Shirts. Als DJ Team Plusminus tragen sie als Partnerlook Brant Björk. Hübsch.

 

 

 

 

Bilder: Domlarocka

 

 

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