Machen wirs kurz: Skin, Gimma, Trummer

Sie könnten unterschiedlicher nicht sein, die Londoner Rockröhre Skin, der auch für Skandale bekannte Bündner Rapper Gimma und der sensible Frutiger Musiker Trummer. Alle haben sie in den letzten Wochen ein Buch veröffentlicht – und je nach dem, wonach ihr euch an diesen besonders stillen Winterabenden gerade sehnt, ist sicher eins für euch dabei.

Deborah Anne Dyer, eine 1967 geborene skinny Frau aus Brixton (davon kommt ihr Künstlername Skin), mit jamaikanischen Wurzeln und wie sie um ihre Zwanziger herum herausfindet bisexuell, wollte nie nur seichte Liebeslieder trällern. Sie hatte in ihrer von Rassismus geprägten Kindheit genug erlebt, um laut und auch mal wütend zu sein. Auf gewisse Männer, auf das System, auf das damalige Frauenbild. Und wir wissen, wo sie diese Gefühle entlud: in ihrer Band Skunk Anansie. Oh Gott, “Hedonism“, unvergesslich! Und der Text dazu in einer Nacht geschrieben, das erfahrt ihr in dem Buch. Und auch, warum Skunk Anansie nie einen so dumpfbackigen Namen wie Blur oder Oasis wollten. Wegen Arnold Schwarzenegger. Er war aus ihrer Sicht der lebende Beweis dafür, dass man einen komplizierten Namen nie mehr vergisst, wenn man ihn erst einmal auszusprechen gelernt hat.

Man merkt halt schon immer ein bisschen, wenn ein Star seine Biografie nicht selber verfasst. Wie in diesem Fall, da hat sie Lucy O’Brien (in regem Kontakt mit Skin) geschrieben, die dasselbe auch schon für Annie Lenox und Madonna tat. Es wirkt alles etwas zu chronologisch und logisch es fehlen die ganz tiefen persönlichen Gedanken. “It Takes Blood and Guts” ist aber ein Buch, das neben einer spannenden Bandgeschichte auch viele tolle musikalische Entdeckungen enthält. Und meinen Lieblingssatz: “Shock news: Jamaicans adore country!”

Skin with Lucy O’Brien: It Takes Blood and Guts, Simon & Schuster Children’s Publishing, 368 Seiten, engl. 29 Franken (Taschenbuch). Bestellen: bei Bookette.

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Da schwärmen wir immer vom sexy Bündner Dialekt. Ihn über ein ganzes Buch hinweg zu lesen, ist aber u huara anstrengend. Trotzdem: Das neue Buch von Rapper Gimma ist jede Zeile wert. Und zwar schlicht und einfach deshalb, weil es Menschen helfen kann.

Wie wir aus seinem ersten (autobiografischen) Buch “Hinter dera Maska isches dunkel” wissen, ist Gimma in seinem Leben weit mehr als einmal gescheitert. Manchmal wars nachvollziehbar, wenn Drogen im Spiel waren etwa, doch sehr oft meinte es das Schicksal ganz einfach nicht gut mit ihm. In “Z’Buach vum #Scheitera” kommen manche Erlebnisse  gebrochenes Herz, Enttäuschung im Job, Verluste noch einmal hoch. In Form ganz unterschiedlicher kurzer Texte. Manchmal sind es nur abgerissene Papierfötzel, auf denen “Scheiterslogans” oder andere Gedanken stehen.

Und wie Gian-Marco Schmid, wie Gimma richtig heisst, den Begriff und die realen Auswüchse des Scheiterns verbal vor sich hinseziert, macht er Mut. Weil er es geschafft hat, Downs als solche zu erkennen. Und damit auch, dass es irgendwo ein Up geben muss. Mein Lieblingssatz: “Jeda Kafi am Morga söll üs dra erinnera, wohii üs üsera Willa schu brocht hät und woner üs wider herafüehra wird.”

Gimma: Z’Buach vum #Scheitera, Markenkern AG, 168 Seiten, 29 Franken. Bestellen: bei Bookette.

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Trummers Musik ist halt so ruhig, er so unscheinbar und seine Promomenschen, falls er sowas hat, so unaufdringlich. Deshalb ist der Berner Oberländer irgendwie immer ein bisschen an mir vorbeigegangen. Auch auf das “Familienalbum” bin ich von einem Schulfreund aufmerksam gemacht worden. Zum Glück.

Die Eltern von Christoph Trummer sind beide mit nicht mal 50 gestorben. Darum geht es in diesem Buch primär. Und somit sind die Texte, so poetisch die Sprache, in der sie geschrieben sind, auch ist: vor allem traurig.

Für viele mag es aber wohltuend sein, in eine solche Gedankenwelt einzutauchen, sich mit dem Verlust von nahestehenden Menschen auseinanderzusetzen, damit, was Familie bedeutet und was die eigene Geschichte aus einem macht. Trummer spricht auch immer mal von Gott (“Ich habe selbst jahrelang mit einem solchen Sonntagsschul-Gottesbild gelebt und es am Ende meiner Schulzeit recht plötzlich loslassen müssen”), der für seine Eltern sehr wichtig war.

Trummers “Familienalbum” kann man sicher nicht als rock’n’roll bezeichnen. Aber es gehört in den Bookette-Shop mit der dazugehörigen CD natürlich. Weil es zeigt, wie grossartig es ist, schöne Texte zu lesen. Und Illustrationen von Andreas Gefe anzuschauen.

Trummer: Familienalbum, Wigra Sound Service, 37 Franken (Buch und CD). Bestellen: bei Bookette.

 

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