“Herrgöttli panaschiert” – das vierte Protokoll

Auf Facebook drüben hats den ersten Hasskommentar gegeben. Death-by-Chocolate-Sänger Mathias Schenk und Poetry-Slam-Schweizermeister Marco Gurtner, die oberflächlichen Sauglattisten, sind in der neusten Folge ihres Video-Livepodcasts nur kurz darauf eingegangen. Wir haben protokolliert.*

Datum: 16. April 2020
Beginn: 19 Uhr
Ende: 20 Uhr
Ort: Instagram
Folge: 5
Anwesende: Mathias Schenk, Marco Gurtner
Protokollantin: Rockette Miriam
Zur Protokollführung: Passagen mit Musikbezug sind fett. Etliche wurden weggelassen.

 

Mathias räuspert sich, pfeift, öffnet ein Bier. Er hat ein kleines Reizhüstchen.

Heute ist er wieder oben. Marco hat zum ersten Mal keinen Hut an, das gefällt Mathias.

Begrüssung/Zuprosten.

Mathias war am Nachmittag in Thun und richtet Marco Grüsse aus.

Er hat keinen Kopfhörer an, aber es geht vom Dingdong her.

Mathias ging wie ein Kalb radeln. Er hustet. Raus, was keine Miete zahlt, sagt Marco.

Mathias war ganz alleine Velofahren. Ein Kollege sagte ihm aber immer, wo durch. Kollege Google Maps.

Marco hat angefangen zu spörteln. Er hat eine App von Adidas. Da kannst du zuhause, he. Das Problem: Es gibt tausende von Übungen, deren Namen er nicht versteht. Zum Beispiel Quadruple Face Plant. Es kommt ihm vor, als müsste er eine fremde Sprache lernen.

Wenn Mathias zuhause Hüpfübungen macht, dann wackelt alles. Deshalb macht er nur statische Geschichten wie stehen, liegen und sitzen.

Marco sucht nach dem Wort Jumping Jack, Gumpi-Höisu. Wenn er das macht, dann hüpft sein Boden mit wie ein Trampolin und er muss aufpassen, sonst geht er durch die Decke.

Mathias und Marco überlegen, wie bekannte Leute auf Schweizerdeutsch heissen. Marco hat dieses Thema schon mal in einem ganz alten Slam-Text behandelt. Schmid Willi kam da vor.

Es folgen weitere Beispiele: Möngu Housi für Johnny Depp, Münz Housi für Johnny Cash oder einfach Kevin Speck.

Mathias ist ein Radler. Ein Gümeler, so Marco. Er sollte etwas mit Worten machen, das sagen ihm seine Eltern auch immer. Sie sind heute nicht dabei, Henä hat Geburtstag. Wie alt er wird, kann Marco nicht sagen. Er hat aufgehört zu zählen. Er ist ein 52er. Also 52, sagt Mathias.

Mathias und Marco sammeln Sprichwörter: Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum / Collect moments, not things / Der frühe Vogel fängt den Sturm / Wer anderen eine selbst hinein.

Marco ist bei “Germanys Next Topmodel” stehen geblieben. Mathias in der dritten Klasse. “Germanys Next Topmodel” läuft am Donnerstag immer direkt nach diesem Stream. “Herrgöttli panaschiert” ist quasi das Apéro. Marco schaut sich die Sendung jeweils mit seiner Freundin an. Er hat herausgefunden, dass nirgends sonst so viele falsche Sprichwörter vorkommen – “Wer zuletzt lacht selbst hinein” beispielsweise. Man müsse nur fünf Minuten schauen und habe mindestens drei falsche Sprichwörter, sagt er.

Mathias findet so Sachen geil. Wenn er ins Skilager geht, läuft jeweils das “Dschungelcamp”. Marco hat das noch nie gesehen, worauf Mathias ihm rät, den Bademantel hervorzuholen, sich einzuölen und hü.

Es ging noch besser …

Mathias winkt jetzt allen, die kommen. Mit dem Drücker, das kann nur er. Marco muss richtig winken.

Mathias will ein Zungenfoto. Seine Zunge soll in Marcos übergehen, sagt er. Marco hat ein Gefühl, als würden sie sich echt berühren. Seine Zunge ist belegt, er muss sie mal wieder waschen.

Marco erzählt von einem guten Chnüttu, der sich auf die Zunge gebissen hat. Es blutete so stark, dass er knapp nicht nähen musste. Wenn sich Mathias auf die Zunge beisst, hat er das Gefühl, das Grundprinzip des Menschseins nicht verstanden zu haben. Er fühlt sich wie einer der hinterletzten huere Idioten.

Wale hat Mirco gefunden.

Mathias ist mit _reeeen aufgewachsen. Marco kann es nicht glauben. Mathias sagt, das sei ein huere Wixer, aber auf die gute Art. Mathias muss manchmal so fluchen.

_reeeen schreibt Saleee.

Es ist bis jetzt die interaktivste Sendung, sagt Mathias. Marco pflichtet bei: Ja, die Community ist sehr dabei. Apropos: Marco hat am Vortag ein 14-minütiges Video von einer Frau geschaut, die über ihre Haare spricht. Marco hat seine heute gewaschen. Die Frau habe das Problem “strohige, wilde Haare” behandeln wollen, aber nur gliiret. Marco hat fast angerufen und wird Youtube einen Leserbrief schreiben.

Mathias frisst vor allem einfach Randensalat. Marco hat seinen eigenen Randengarten auf dem Balkon. Er macht aber nie Randensalat sondern Randensuppe. Letztes Mal ist die Suppe explodiert und Marco sah aus wie ein komisches Monster mit komischem Blut in einem Sci-Fi-Film. So sieht ein Randenblutbad aus. Eventuell hat er jemanden abgestochen und, um es in der Psyche zu überspielen, ein lustiges Foto mit der Pfanne gemacht. Nach dem Motto: “Ha, die Randensuppe ist mir ab”, sagt Mathias.

“Das ist keine Frisur mehr, Güsche”, wird kommentiert.

Marco sagt, dass er vielleicht ja gar keine Frisur will. Er ist immer schon gegen den Strom geschwommen.

Leute, die das Wort Konvention brauchen, sind wie Leute, die antizyklisch sagen, sagt Mathias.

Eine Handbewegung von Mathias, die aussieht, als würde er Marcos Haarboden kraulen, bringt Marco auf “das Haarteil”. Hey fuck für dieses Haarteil, sagt Mathias. Wenn ihm jemand damit komme, sehe es in Kürze aus wie in Marcos Küche nach dem Randensuppenkochen.

Eventuell haben Mathias und Marco jetzt das erste Mal Krach. Da ist Reibung, Reibung ist Wärme.

Mathias und Marco haben einen gemeinsamen Feind. Drüben auf Facebook hats den ersten Hasskommentar gegeben. “Wann hört es endlich auf mit diesem oberflächlichen Sauglattismus”, schrieb jemand. Den gebe es immer am Donnerstag zwischen sieben und acht – man könne zuschauen oder nicht, sagt Mathias.

ruethu_hoschi ist online und sagt, Marco solle die Haare nicht kämmen und nass zusammenbinden.

Marco nimmt die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Mathias sieht sogleich eine argentinische Koksnase.

Mathias’ Eltern haben angerufen, deshalb war er kurz weg. “Deheime” stand auf dem Display. Marcos Eltern haben das Heimtelefon gecancelt.

Jemand hat Marco geschrieben, er müsse für einen Online-Slam ein Videöli machen. Worauf Marco fragte, wo er es hinschicken solle. Die Antwort: Kennst du wetransfer? Sicher kennt Marco Transfer Wilu, das Transportunternehmen.

Geile Story, findet Mathias. Er fragt sich, warum man es nicht einfach per Mail schicken kann. Es sei ja nicht so, als wolle man eine verfickte huere Brücke schicken. Das Mail sei ein so elitäres Programm, findet er. Wie ein Konzertpianist (das kann ich leider nicht lüpfen, ich kann nichts lüpfen, das schwerer ist als 25 Gramm).

Mathias hat mit seinem guten Freund Google auf der Velotour nur Scheiss gelabert. Marco hat auf Instagram ein paar Stories gesehen und sich Sorgen gemacht, denn wenn er irgendwo einen Ruf zu verlieren hat, dann in Thun. Mathias hat da Marcos Namen in den Kreisel geschifft.

Marco erkundigt sich nach den Thunern. Die hätten alle gekotzt. Aus den Chären raus und in die Chären rein.

Eine neue Rubrik wird eröffnet: Synonyme für kotzen? Bogen husten, den Krähen rufen (in Basel sagt man: Ueli rufen), Keramik tapezieren, rückwärts essen, Gemüsehusten.

Marco hat nie verstanden, warum man chise sagt. Mathias hat immer chiise gesagt. So, wie man früher mit rouke normal rauchen meinte und mit rouche kiffen.

hip hop stäckli

Es folgt ein Foto mit einem Bierdeckel. Sauglattismus auf oberflächlichem Niveau.

Marco ist ein alter Portugiese. Er weiss, dass man Sagreus sagt. Nicht Sagres. So wie die Mutter seines portugiesischen Freundes ihrem Sohn nicht Rafael, sondern Wuffel sagte.

Mathias hat einmal in Brüssel mit dem amerikanischen Produzenten Vance Powell ein Album aufgenommen. Die Tochter des Studiobesitzers war auch da. Deren Freund oder Kollege wollte Mathias immer heiraten. An einem Abend hat dieser Freund Guzzi gegeben und ist aus dem Stockwerk über dem Hochparterre vom Balkon gesprungen. Powells Assistent Mike sass einfach da, schaute rüber und als die ganze Szenerie durch war, sagte er: what an idiot. Mathias möchte auch gerne eher weniger sagen, dafür nur Treffendes.

Nächste Woche will man das gemeinsam probieren.

On parle un tout petit pneu au françoise, sagt Mathias.

Werbung: Das Album von The Breaking News erscheint am Freitag (also heute, Anm. d. Protoklntn). Mathias singt darauf und spielt bei vier Songs Gitarre. Alles Coversongs. Es geht um das Vinyl. Es gibt 300 Scheiben und die müssen weg.

Es ist 54, es ging viel zu schnell, verfiggti huere Schiissi.

dominikmuheim schreibt “gopeloni”. Mathias loves him, wie man in LA sagen würde. Er kennt Dominik nicht gut, glaubt aber, dass er nicht gut fluchen kann. Mathias hat ihn an einem Tag gesehen, an dem ein Poetry Slam abgesagt wurde. Mathias hätte in dem Moment mit dem Sturmgewehr auf Kniescheiben geschossen. Dominik blieb easy. Marco vermisst Dominik. Sie hätten viel gemeinsam unternommen, bevor man nicht mehr rausdurfte, sagt er. Er hat ihn an dem Tag gesehen, als die Basler Fasnacht abgesagt wurde. Dominik hat vor lauter Herjesses einen Kaugummi verschluckt.

2 Minuten noch. 1 Minute 55, seit wann steht das? Mathias schickt Instagram zum Dank einen Scheck. Marco schickt einen Shake.

Marco und Mathias werden sich vermissen.

* Diese Protokolle (hier sind sie gesammelt) erscheinen bis auf Weiteres immer freitags. Die Live-Gespräche könnt ihr euch jeweils donnerstags um 19 Uhr auf den Insta-Profilen von Mathias Schenk und Marco Gurtner reinziehen. Ach und: ein Textli zu The (sexy) Breaking News gibts in unserer Gazette. Abonnieren: hier.

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