Ich war mal kurz in Afrika

In unserer Strasse gibt es an einem Knotenpunkt ein Mäuerchen, das regelmässig als Gratis-Bazar dient. Bücher, Weihnachtsdeko oder Kinderbettchen. Alles, was zu schade für den Müll und noch irgendwie brauchbar ist, wird dort liebevoll arrangiert und wartet geduldig auf ein zweites Leben. Auf einmal auch CDs.

Es ist immer wieder spannend, was dort zu finden ist. Ich habe schon exotische Bücher (Krokofant, weisch no?) und einen Früchtekorb (jedenfalls habe ich das Drahtgestell als solchen definiert) nach Hause getragen und die Mauer umgekehrt mit Blumenzwiebeln beliefert. Diese Woche war frische Altware dort, und zum ersten Mal auch Musik.

Es geht hier um die zweite CD von rechts.

Stapelweise CDs. Nun, wir haben in unserem Haushalt etwa 2000 CDs, wir brauchen nicht noch mehr. Darüber hinaus wurden hier die üblichen Verdächtigen wie George Michael und diverse Soundtracks ausrangiert, die haben wir natürlich schon. Doch eine gebrannte CD hat meine Neugier geweckt. Was da wohl drauf ist? Ein persönliches Mixtape mit Liebesliedern vom Verflossenen? Oder welches Album war einst die Mühe wert, es zu brennen?

Zuhause lege ich die CD schleunigst ein. Marcel vermutet bei den ersten Klängen Miriam Makeba, ich hingegen habe keine Ahnung, ich laufe bei World Music normalerweise davon. Soundhound weiss Bescheid, es ist Angélique Kidjo. Suuuper. Meine anfängliche Euphorie schlägt um, weil ich eben mit dieser Art von Musik nicht viel nichts anfangen kann. Ich finde die Suppe zum Znacht besser als die Musik, Marcel findet die Musik besser als die Suppe. Ich verstehe World Music einfach nicht, also auch sprachlich, und der Beat reisst mich meist nicht mit. Aber die CD wollte anscheinend zu mir, also höre ich sie mir Suppe schlürfend komplett an. Und fange an zu recherchieren.

Es ist das Album “Eve” aus dem Jahr 2014 und hat in jenem Jahr den Grammy für das beste World Music Album gewonnen. Für das Album reiste Kidjo durch Afrika und liess Frauenchöre traditionelle Gesänge einsingen. Viele Lieder haben nebst den Frauenchören Gastmusiker, so Dr. John oder das Luxembourg Philharmonic Orchestra. Es ist eine Hommage an afrikanische Frauen und nach Kidjos Mutter benannt. Zeitgleich zum Album erschien ihre Autobiographie. Und je länger ich mich mit dem Album beschäftige, desto mehr ärgere mich, dass nirgends eine vernünftige Rezension zu finden ist, die die Fülle dieses Album auch in würdige Worte fasst.

Aber, ich höre jetzt bei frostigen Minustemperaturen und Schneesturm afrikanische Klänge. Schon zum zweiten Mal. Danke, unbekannte*r Nachbar*in. Ich war zuvor noch nie in Afrika.

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