Wichtelette V: Tape One

Das Rockette-interne Wichteln kam zu einem denkbar ungünstigen Augenblick. Ich hatte meinen Plattenspieler bei Ankunft des Päcklis schon in eine Zügelkiste gepackt. Aber um mich komplett zu verwirren, hat auch die Spotify-Version der LPs (!) gereicht. 

Ich selber war ja rücksichtsvoll. Ich habe Nina, die um die Festtage rum bekanntlich immer viel bastelt, Kerzen zieht und backt, eine möglichst niederschwellige Platte geschenkt. Sie sollte entweder leicht schwärmen oder leicht wettern können, so chli ferienmässig halt – und ich würde sagen: der Plan ist aufgegangen.

Domi dagegen (ich geb zu, ich war trotz des Langendorfer Poststempels lange unsicher, weil ich selber auch gerne auf falsche Fährten führe) ist da eher gnadenlos. Sie schenkt ein Doppelalbum und will wohl, dass ich recherchiere, tief tauche, in einen grösseren Kontext stelle, dass ich bügle wine Moore. Oder: Sie überschätzt mich ganz einfach und denkt, ich schüttle mir hier nun schnell eine Analyse aus dem Ärmel, weil ich vor Ewigkeiten mal ein Hip-Hop-Praktikum absolviert habe.

Gut, kommen wir zu dem, was ich spontan sagen kann: Domi hat mir “Tape One” und “Tape Two” von der schottischen Hip-Hop-Gruppe Young Fathers geschenkt. Ich wusste schon beim Anblick des Covers, dass das eine LP für Krasse ist. Auf dieser Hülle steht nichts drauf. Weder vorne, noch hinten, noch innen, noch aussen. Wäre auch schade, die beiden herzigen Kinderfotos zu verdrucken. Cover = top!

Was jetzt kommt, musste ich nachschlagen. Die Young Fathers haben eine ziemlich komplizierte Bandgeschichte. Sie haben über mehrere Jahre hinweg immer mal wieder ihren Namen geändert. Dass sie ihren Gründungsnamen Three-Style aufgegeben haben, kann ich verstehen. Der war scheisse, aber da waren sie ja auch erst 14.

“Tape One” heisst ein Mixtape, das die Young Fathers 2011 innerhalb von einer Woche aufgenommen und subito veröffentlicht haben. Und ja, was war das für eine Woche? Sie hat ziemlich monoton angefangen. Der erste Song “Deadline” ist so etwas wie ein Sound-Mantra, die einzelnen Zeilen sind in eine Art Endlosschlaufe verpackt, was mit der Zeit ganz schön nerven kann. Als ich diese Takte zum ersten Mal gehört habe, war ich nicht sehr optimistisch, was den Rest des Wichtelgeschenks anging. Es war mir zu laut mit dieser Sirene, die Stimmen zu schreiig und alles zusammen zu eintönig.

Der Eindruck hat sich dann aber schnell geändert. “Tape One” entwickelt sich zu einem total abgefahrenen, von afrikanischer Musik durchfluteten Mix aus Rhytmen und Sprecharten. Manche Passagen sind so, wie ichs am meisten liebe: dark, gefährlich, britisch – andere stimmungsvoll wie ein (stimmungsvoller!) Gottesdienst. Über die Reggae-Einflüsse spule ich tolerant hinweg, sorry, diesen reingenebelten Kiffersound nehm ich nicht mal gratis. Hier mein Lieblingslied – repräsentativ für das grosse Ganze.

“Tape Two” wurde 2014 übrigens zum “Scottish Album of the Year” gekürt. Es geht darauf im gleichen Sinn und Geist weiter wie bei seinem Vorgänger: schräg, bunt, so experimentell und unkonventionell, my heart is on fire. Ich glaube, ich mag auch einfach die Attitüde von Alloysious Massaquoi, Kayus Bankole und “G” Hastings und würde die drei Rapper wahnsinnig gerne mal live sehen. Man kann davon ausgehen, dass sie sperrig sind – als sie 2014 für ihr Album “Dead” mit dem Mercury Music Prize ausgezeichnet wurden, haben sie beispielsweise so getan, als würden sie sich nicht freuen. Ich mag das und auch die Tatsache, dass man über diese Gruppe kaum etwas weiss, ausser, dass sie ziemlich gefeiert werden. Danke Domi für die Herausforderung.

Dass ich das alles nun auch noch in einen grösseren Kontext stelle, hab ich nirgends versprochen, oder?

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