Parallelen zum Chamäleon

Sophie Hunger Dachstock privat

Ausverkauft, das stand schon lange fest. Aber wie eng, wie heiss, wie energiegeladen und wie grossartig ein proppenvoller Dachstock ist, das durfte ich vergangenen Donnerstag am eigenen Leibe erfahren. Ganz Bern schien zu applaudieren, als sie auf die Bühne trat, das renommierte Chamäleon, der zynische Sympathiebolzen. Bescheiden gemächlich erschien sie im Licht des Schweinwerfers und mit ihrem Mund öffnete sich die Tür zu einer anderen Welt.

Nicht zuletzt ihren facettenreichen Stimmfarben hat die Sängerin den vorangehenden Tiertitel zu verdanken. Beschreiben könnte man diese als ungezähmt elegant, als rau und doch samtig weich. Ebenso vielseitig verhielt es sich mit der Besetzung: während Hunger flink zwischen Gitarre und Piano hin und her huschte, entpuppten sich ihre vier Bandmitglieder nicht nur als Profis auf ihrem jeweiligen Instrument, sondern auch als Multitalente an Flügelhorn und Klarinette.

Sich jeglicher Schubladisierung entwindend, pickt die Farbkünstlerin mutig Elemente aus diversen Stilen, während sie ihre Sophie-Welt bemalt; sie bepinselt eine düster graue Ballade mit filigranem Silberglanz, verziert Indie-Rock mit ihren unverkennbar rhythmischen Gesangstupfern in leuchtendem Türkis und unterstreicht Elektropop gekonnt mit satten roten Basslines. Letztere hätten definitiv die Tanzbeine zum schwingen gebracht, wäre dafür auch nur ein Quadratmillimeter mehr Platz gewesen.

Anyway, noch nicht genug der Vielfalt, denn ein weiterer Punkt sind die Liedtexte. In vier verschiedenen Sprachen, in allen gleichermassen charmant, servierte die Wortkünstlerin Geschichten, die berühren, aufrütteln, amüsieren, verzaubern. Erfrischend frech, ehrlich und auf den Punkt gebracht, schafft es Sophie Hunger, jedem Lied den Anschein zu verleihen, die Sprache sei genau für jene Zeilen erfunden worden.

In Anbetracht ihrer Vielfaltigkeit sind die Parallelen zum Chamäleon unbestritten, doch es gibt einen grundlegenden Unterschied: das Chamäleon passt sich seiner Umgebung an. Während dies das Letzte ist, was man der charakterstarken Poetin, der bodenständigen Melodientüftlerin zutrauen würde. Denn was sie beweist ist Mut, Können und Authentizität pur, umgeben von den farbenfrohen Weiten ihrer ganz eigenen Klangwelt, in der wir für einen Abend zu Gast sein durften.

(Bilder: Facebook Sophie Hunger /privat)

 

GUESTLIST: Dieser Beitrag hat Musikerin Dana für uns geschrieben. Vielleicht die nächste Sophie Hunger?

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