Ende Januar werden Treekillaz“ im Alter von 20 Jahren zu Grabe getragen. Gitarrist und Rockstar-Tagebuch-Autor Jessi Brustolin will bis zum Ende der Bieler Band alles loswerden, was er in seinen letzten Beiträgen vergessen hat. (Übrigens, seine Stelle als Rockette-Autor bleibt ihm erhalten – einzig das Fachgebiet wird ändern.)
Es ist soweit, es werden alle sterben. Sich erhängen, Drogen nehmen, in der Badewanne ertrinken, und zwar gleich Mütter und Töchter – es gibt viele Arten, sich zu verabschieden. Treekillaz“ gehören natürlich auch dazu, aber man kann es schon fast ahnen, unser Abgang wird anders sein. Wir haben keine Drogenprobleme, keinen Krach, nicht mal musikalische Unstimmigkeiten, nein, es reicht einfach. Der Tinu hats gesehen. Musik soll nicht mehr seinen Ferienplan beeinflussen, ihm keine schlaflosen Nächte mehr bereiten, wenn es darum geht, neue Texte zu kreieren, das schöne far niente ist jetzt Trumpf. Tja, so hat mir der Tinu kürzlich vor unserem wöchentlichen Üben eine Nachricht gesendet mit dem Text „Können wir vor dem Üben noch schnell den Ältestenrat einberufen“. Das wären übrigens Tinu und ich. Flache Hierarchie ist wichtig in einem erfolgreichen Unternehmen.
Wenn wir schon dabei sind, ich gebe jetzt hier mal ein Statement ab über Erfolg und Nicht-Erfolg im Musikbusiness. Ich werde immer wieder gefragt: Wieso seid ihr nicht berühmt? Sind wir doch, ich verstehe die Frage nicht. Nein, im Ernst. Rein verkaufstechnisch gehören wir sicher nicht zu den Highlights… Moment mal, logge mich kurz in mein Bankkonto ein (warten warten warten), Passwort ok (warten warten warten), Bild machen von einem Bild, done (warten warten warten), Nummer eintippen, ahh endlich (schauen schauen schauen). Nein wir sind nicht berühmt. Die Farbe Rot mit diesem Strich vor der Zahl (Mitte Monat) spricht eine andere Sprache.
In meinen Augen waren wir aber erfolgreicher als wir es uns je haben träumen lassen. Schon kurz nach dem Start hat uns ein kleines und feines Label Namens N-Gage unter Vertrag genommen. Kurz darauf hat uns Warner versprochen, dass wir Linkin Park in den Schatten stellen werden (haben wir auch gemacht, aber nur trinktechnisch), dann haben wir unser eigenes Label gegründet und zu guter Letzt sind wir wieder bei N-Gage gelandet. Das ist schon mal Erfolg pur. Wir haben zig Länder gesehen, sind mit den argentinischen Hormonbomben Attaque77 getourt, haben mit Clawfinger mehrere Europa Touren durchgeführt und selber in unzähligen Löchern gespielt, in die ich nie wieder rein will. Wir haben am Boden geschlafen, der Punkfrau in Holland beim Scheissen in der ultrakalten Lagerhalle zugeschaut, mit Blind unsere erste richtige Nightliner-Tour gespielt, zwei Busse auf der Autobahn an Motorschäden verloren, viele Freunde gewonnen, viele Leute zur Weissglut getrieben, in Einsiedeln vor der Bühne einen Zuschauer verprügelt, über das Gurtenfestival und Cornu gelästert, und das nicht zu knapp, uns die Zehen ablecken lassen, nackt auf der Bühne gestanden, der Freundin vom Veranstalter (vor seinen Augen, ups) die Zunge in den Hals gesteckt, Anrufe von besorgten Müttern entgegengenommen, deren Töchter im Busch mit einem Treekiller rummachten, unfassbar viel und Schlechtes von der Autobahn-Raststätte gegessen und und und… Wer will mir jetzt genau klar machen dass das kein Erfolg ist?
Wir sind uns immer treu geblieben, auch wenn das bedeutete, dass wir nicht ins Schema X passten und uns gewisse Leute in der Industrie deswegen fallen liessen. Who cares, als wir mit Musikmachen begonnen haben, war Punk unser Allerliebstes, dieses Feeling und der Stolz haben uns nie verlassen. Musikalisch haben wir uns weiterentwickelt, die beiden letzten Platten waren unsere besten (meine Meinung), aber im Herzen wollten wir einfach vier Freunde sein und Musik machen. Nicht mehr und nicht weniger. Schade wissen wir nicht, wieviele Konzerte wir gespielt haben. Ich schätze, es waren zwischen 700 und 1000. Jedenfalls, ich bin stolz auf unsere Leistung, die Beharrlichkeit, unseren Durchhaltewille, die unbändige Freude und die Tatsache, als gute und beste Freunde so lange mitgemischt zu haben.
Ihr habt jetzt genau noch zwei Chancen, uns live zu sehen. Am 26. Januar im Chessu (Music Days) und am 2. Februar im Kiff. Auch das wäre wieder eine Story wert. Das Kiff hat uns 20 Jahre ignoriert und nun bekommen sie die Ehre des allerletzten Gigs. Gratuliere. In diesem Sinne, kommt vorbei, in den Pausen zwischen den Songs müsst ihr dann nur immer wieder rufen „Fuck you Tinu“ und gut ist.

