Achtung, Achtung! In der Schweiz geht aktuell der Bär um. Das bevorzugte Territorium dieses ganz besonderen Exemplars ist aber nicht der Wald, sondern die Bühne. Brüllen kann er auch gut, jedoch auffallend melodischer als seine Artgenossen. Die Rede ist natürlich nicht von einem tierischen Bären, sondern von Marius Bear, Musiker aus dem Appenzell. Wir trafen den 25-Jährigen kürzlich vor seinem ausverkauften Konzert im ISC in Bern.
Um eines gleich vorweg klarzustellen: Entdeckt haben wir ihn eigentlich schon im März 2018 in London (also drei Monate vor den Kollegen beim SRF;-)). Hier der Beweis. Nur sind wir leider bis jetzt noch nicht dazu gekommen, ihn mir der entsprechenden Story zu würdigen. Das hole ich nun im folgenden Text nur zu gerne nach.
Als ich am späten Nachmittag im ISC ankomme, sind Marius Bear und seine Band (an diesem Abend bestehend aus Schlagzeuger, Roman Kölbener und Marvin Trummer am Keyboard) gerade mitten im Soundcheck. Die Bässe wummern, gross und schwer. Heavy Beats oder Raw-Pop, also rauen Pop, nennt Marius das. Auf seine kraftvolle Charakterstimme, die ihm Vergleiche mit Grössen wie Joe Cocker oder Rag’n’Bone Man beschert, treffen elektronische Elemente und Gesangseffekte. Ein faszinierender Sound, der mich sofort abholt.
Erst ein lautes Klirren im Backstage, vermag meine Aufmerksamkeit von der Bühne zu lenken. Die Heavy Beats haben den auf dem Kühlschrank stehenden Champagnerkühler runtergehauen, das edle Fläschchen darin ist in tausend Stücke zersplittert. Aber Entwarnung, dem Bier ist nichts passiert.
Nach dem Soundcheck setzen der sympathische Appenzeller und ich uns auf die wieder scherbenfreie Couch im Backstage und unterhalten uns über seine Karriere, die zurzeit steil geht. Highlights gibt es viele: Vor ein paar Wochen spielte Marius ein ausverkauftes Konzert im Zürcher Kaufleuten, er ist als SRF 3 Best Talent bei den Swiss Music Awards nominiert – noch bis zum 11. Februar kann man hier mit einem Klick für ihn abstimmen – und bald erscheint seine neue Single “My Crown”. Wie kam es zu all dem? Gemeinsam werfen wir einen Blick auf Marius’ Werdegang – anhand seines Insta-Feeds.
Appenzeller
Wir beginnen bei seinen Wurzeln. Marius Bear, heisst eigentlich Marius Hügli und stammt aus Enggenhütten bei Appenzell. Wann immer er Zeit hat, macht er einen Abstecher ins Appenzell, um die Familie zu besuchen oder mit seiner Freundin wandern zu gehen.
https://www.instagram.com/p/BkS2VGYHXaf/
Militär
Aufs Singen gebracht hat Marius das Militär. Kein Witz. Als Marius als Wachtmeister Kommandos herausbrüllte, meinte ein Soldat zu ihm: “Hey, du hast eine geile Stimme zum Schreien, du solltest Grunge singen.” Gesagt, getan. Marius fing mit dem Kollegen (“ein Metal-Typ mit langen Haaren aus dem Aargau”) an zu jammen. Dem Grunge ist er aber schnell untreu geworden. Marius’ Kommentar zu diesem Post war übrigens: “Ist das immer noch auf meinem Instagram? Scheisse, das muss ich rausnehmen.” Hat er zum Glück noch nicht gemacht.
https://www.instagram.com/p/BBUiSKLLsL1/
Strassenmusik
Heute kaum zu glauben, aber wahr: Marius war es anfangs sehr unangenehm, vor Publikum zu singen. So entscheidet er sich mit 20 spontan zum Umzug nach Fribourg. Dort tritt er als Strassenmusiker auf: “Weit weg von zuhause vor Leuten zu spielen, die mich nicht kannten, fiel mir leichter. Zudem ist das Publikum auf der Strasse besonders ehrlich.”
https://www.instagram.com/p/1azHxWrsMt/
Mundart
Seine erste EP veröffentlicht er unter dem Namen Marius Bär. Gesungen wird damals noch auf Berndeutsch, dem Dialekt seines Vaters und laut Marius “der schönste Dialekt zum Singen”. Mit Aufritten am Gurtenfestival, Zermatt Unplugged oder am Moon&Stars Locarno läuft es für Bär.
In Zukunft wieder einmal einen Mundart-Song zu veröffentlichen, schliesst er nicht aus.
https://www.instagram.com/p/BFo1ZCBrsEk/?utm_source=ig_share_sheet&igshid=ukiwj4iaw5w6
New York
Doch der Bär will mehr und begibt sich auf der Suche nach seinem Sound nach New York. Dort wird er gezwungenermassen zum Bear, weil das Ä halt nicht so international ist, you know. In den Big Apple kommt Marius durch den Berner Fotografen Rob Lewis. Der produziert dort gerade seinen Dokumentarfilm “Lunar Tribute” über die Mondlandung des Astronauten Charlie Duke. Untermalt werden die Erzählungen des Astronauten mit dem Schlagzeugspiel von Jojo Mayer, dem berühmten, in New York wohnhaften Schweizer Drummer. Auch Marius darf dem Film einen Song beisteuern.
Während seinem Aufenthalt nimmt er noch gleich eine ganze EP auf, veröffentlicht wird diese aber nie: “Die war scheisse und hatte keine Seele. Es war schade fürs Geld”, so Marius. Für die Finanzierung musste er übrigens im Vorfeld an um die 60 Hochzeiten spielen: “Wenigstens weiss ich jetzt wie man eine Hochzeit plant.” Immerhin auch nützlich. Irgendwie.
https://www.instagram.com/p/BYYeNNBBmMe/?utm_source=ig_share_sheet&igshid=1l2wnzzcgapme
London
Okay, New York war nix. Thank you, next. Marius zieht nach London und studiert dort für ein Jahr Musikproduktion am renommierten British and Irish Modern Music Institute BIMM (prominente Abgänger u.a. Tom Odell, George Ezra oder James Bay). Das Studium ist zwar beendet, seine Wohnung in London hat Marius aber noch. Aktuell reist er zwischen seinen Auftritten in der Schweiz immer wieder nach London zu intensiven Songwriting-Sessions.
https://www.instagram.com/p/BZBe3jbh6o9/
“Sanity”
Im Juni 2018 veröffentlicht Marius mit “Sanity” seine erste englischsprachige EP. Produziert hat er das Werk in Holland gemeinsam mit Reyn Ouwehand (u.a. Stephan Eicher, Benjamin Biolay).
Live spielen Marius Bear und Band aktuell noch mehr unveröffentlichte als veröffentlichte Songs. Bald erscheint aber die neue Single “My Crown”. Weitere folgen. Marius will lieber regelmässig etwas neues bringen, als gleich alles auf einen Schlag. Klar, das macht man ja heute so, auch wenn ich persönlich den am Konzert gehörten Song “Missed Me” lieber gleich sofort hätte.
https://www.instagram.com/p/BjctRhKHGgP/?utm_source=ig_share_sheet&igshid=11v8w7q418719
Zwei Fun Facts zum Schluss
Marius hatte früher einen fürchterlichen Musikgeschmack. Das sage nicht nur ich, sondern auch er selbst. Deutlich macht dies seine alte iTunes-Playlist, die zum Leidwesen seiner Bandkollegen auch heute noch regelmässig im Tour-Bus läuft. Natürlich nur unabsichtlich beim Anschliessen des iPhones, meint Marius. Jaja, schon klar. Hier ein kleiner Auszug: “SuperHits 2013”, diverse Perlen von DJ Antoine, “Germany’s Next Topmodel Catwalk Hits”, “Kontor Top of the Clubs 2013”. In dem Bus möchte ich nicht sitzen (jedenfalls nicht nüchtern).
https://www.instagram.com/p/BpNnrKphdI8/
Kaum betritt Marius die Bühne, heisst es erst einmal Schuhe aus. Er performt nämlich seit jeher am liebsten barfuss – für die Bodenhaftung und um die Bässe an den Fusssolen zu spüren.
https://www.instagram.com/p/BpuJPavgc7H/
LIVE: 15.02., KIFF, Aarau; 22.02., Molton Festival, Winterthur; 23.02., Grabenhalle, St. Gallen; weitere Daten hier.
(Hauptbild: Rockette; Beitragsbilder: Instagram/Marius Bear)