Wie ein blauer Bergsee mitten im grünen Wald

AllenFinch_Cover

Sitz ich da so, gebannt von zwei stahlblauen Augen, und wundere mich, wohin er wohl guckt, dieser Allen Finch. Ob er gerade an die Person denkt, über die er in “How Would I Be Doin’” singt. Oder eher an die Vergangenheit, von der er vermutet, ein Opfer zu sein (“Victims Of Our Past”). Ich muss schmunzeln, als ich sehe, dass in seinen Presseunterlagen die Namen James Gruntz und Bastian Baker fallen (Finch spannte mit dem Produzenten Lars Christen zusammen, der wiederum auch schon mit Gruntz und Baker gearbeitet hat). Beide kamen mir in den Sinn, beim Durchhören von Finchs, wow, so schönem Debütalbum.

Aber ich hoffe schwer, dass keiner darauf rumreitet, auf den paar Parallelen, die zu den beiden anderen jungen Schweizer Songschreibern gezogen werden können. Denn Allen Finch ist kein Abklatsch, auch wenn der Groove in “Didn’t Really Have A Chance” an Gruntz und die Stimme hin und wieder an Baker erinnern. Der 22-jährige Winterthurer hat seine eigene Ausstrahlung. Und “Albert” ist ein Song auf dem Album, der ganz gut zeigt, was für ein Musiker er ist. Ein stiller, nachdenklicher, einer, der einem ganz gerne ganz lange die Genugtuung gönnt, man habe ihn durchschaut. Und dann zeigt er total unerwartet, dass er auch anders kann. Zum Beispiel laut. Man erschrickt dann ziemlich, so als wäre man gerade mitten im Wald in einen eiskalten Bergsee gefallen.

Um Allen Finch, der eigentlich anders heisst, aber wen juckt das schon, in all seiner Eigenständigkeit zu würdigen, hab ich für ihn eine neue Interview-Form erfunden. “Instaview” nennt sich das Zusammenstellen eines Fragebogens auf Basis des Künstler-Instagram-Accounts. Finch meint, er verzeihe mir das “Stalking”.

Du hast ein paar Kinderfotos von dir veröffentlicht. Bist du mit Musik aufgewachsen?

Seit ich auf der Welt bin, ist vermutlich kein Tag vergangen, an dem ich nicht Musik gehört habe. Auf unseren alten Videokassetten hört man mich immer irgendwo vor mich hin singen. Allerdings ist es lange Zeit nicht darüber hinaus gekommen. So richtig entdeckt habe ich das Musikmachen erst mit 16, als ich anfing, die Gitarre meiner Schwester auszuleihen, um mir selber Songs beizubringen.

Du scheinst in den letzten Wochen viel Zeit im Wald verbracht zu haben. Schaltest du da ab – in der stressigen Zeit um die Albumveröffentlichung herum?

Genau! Darum wollte ich die Fotos für mein erstes Album auch unbedingt dort schiessen.

Einmal hast du in einem Stück Holz ein Gesicht gefunden und fotografiert. Ist das, was du tust, wenn du Songtexte schreibst – nachdenken und Holzgesichter suchen?

Schön, dass dir diese Sternstunde der Fotografie nicht entgangen ist. Tatsächlich ist bei all meinen Songtexten eine riesige Portion Nachdenken mit dabei. Es ist immer ein monatelanges Hin und Her, bis ich mit meiner Arbeit zufrieden bin. Mit Holzgesichtern hat das allerdings wenig zu tun.

“Humble me” von Norah Jones ist einer deiner Lieblingssongs. Wie kommt das?

Ich bin nicht religiös, wenn du das meinst. Es gibt einfach nicht viele Songs, die eine solche Wärme ausstrahlen. Norah Jones war letztes Jahr übrigens mein zweitmeist gehörter Artist auf Spotify. Platz eins gehörte den Österreichern Bilderbuch.

Ein Bild von einer saitenlosen Gitarre markierst du mit #girlfriend #naked. Ist das so, deine Gitarre ist deine grosse Liebe?

Zumindest war sie das zu der Zeit, als ich das Foto aufgenommen habe. Das Jahr nach meinem Schulabschluss habe ich mit stundenlangem Üben im Keller verbracht. Ja, ich bin wohl durch und durch Gitarrist. Ich finde es faszinierend, wie nah man der Klangerzeugung ist und wie viel Einfluss man beim Spielen auf den Ton nehmen kann.

Du hast Effi Briest auf Kindle gelesen. Lädst du auch Musik runter?

Ich möchte an dieser Stelle auf die süsse Katze hinweisen, die auf dem Bild auch noch zu sehen ist.

Was hat es mit diesem Video auf sich, in dem du mit nackter Brust und Glitzerjacke “I’m so excited” spielst?

Wenn ich nicht Singer/Songwriter wäre, hätte ich wohl schon längst eine Discofunk-Band gegründet. Seit ich 13 bin, höre ich Donna Summer, Earth Wind and Fire, Daft Punk und Co. Ich schätze, daher rührt meine Vorliebe für groovige Songs. Das Video stammt von einem Workshopkonzert (ich studiere Popmusik an der Zürcher Hochschule der Künste). Wegen der Glitzerjacke und dem Oben Ohne: Die Bühne ist für mich ein Platz, um mich auszutoben. Ich liebe es, mein Publikum zu überraschen – und zu überfordern.

ALLEN FINCH: “ALLEN FINCH”, out 13.05. (Allen Finch)

Plattentaufe: 20.05., Bagatelle, Zürich

(Pressebilder)

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