Alice in Chains haben letzten Freitag ihr neues Album «Rainier Fog» rausgebracht. Ich habe mich regelrecht darum gerissen, dass ich darüber eine Rezension schreiben darf. Meine erste Rezension überhaupt. Aber das habe ich mir irgendwie einfacher vorgestellt. Kurzum, das Album ist genial, den Rest versuche ich nun zusammenzubrösmele.
Nirvana, Soundgarden, Pearl Jam und Alice in Chains bildeten zu Beginn der Neunziger (oder als die meisten, die dies hier lesen, Teenager waren), das vierblättrige Kleeblatt des Grunge. So wurden sie jedenfalls damals einmal im BRAVO-Heftli beschrieben. Andere nennen die vier Bands auch die Fab Four des Grunges. Erst danach kamen Screaming Tree, Mudhoney, Melvins und Konsorten. Ohne grössere menschliche Tragödien kamen von den vier grossen Grungebands nur Pearl Jam durch. Bei allen anderen starb jemand aus der Band. Bei AIC waren es gleich zwei Mitglieder. Zuerst der charismatische Sänger Layne Staley, danach der Ex-Bassist Mike Starr. Und wie leider so oft, waren es Drogen. Auch wenn Mike Starr versuchte, in der Sendung «Celebrity Rehab» clean zu werden.
Vor allem der Tod von Layne Staley hatte der guten Alice beinahe den letzten Schnauf gekostet. Doch mit William DuVall fanden sie einen Sänger und Gitarristen, der perfekt ins Bandgefüge passte. Seine Stimme ähnelt derjenigen von Layne Staley, und dennoch gelingt es DuVall, den alten Songs eine eigene Prägung zu geben. Zudem harmonisiert DuVall mit der Stimme von Bandleader Jerry Cantrell, was wichtig ist für die Harmoniegesänge, für welche AIC so bekannt sind.
Mit «Rainier Fog», benannt nach einem Berg bei Seattle, liefern sie nun das sechste Album insgesamt und das dritte mit William DuVall ab. AIC sind für mich die Grungeband mit dem am klarsten erkennbaren Metal-Wurzeln. Pearl Jam waren immer etwas mehr Hard Rock, Nirvana eher Punk und Soundgarden hatten ihre Wurzeln bei Black Sabbath und Led Zeppelin.
Alice in Chains waren für mich eigentlich immer näher am Metal von Metallica, Anthrax, Megadeth und Co. als am Grunge. So waren Alice auch mit den grossen Metalbands auf Tour. Vor ein paar Jahren traten sie zum Beispiel als Vorband von Metallica im Basler Joggeli auf. Ich fand sie völlig verschenkt, aber da war ich glaub nicht der Einzige.
Jetzt bin ich schon wieder abgeschweift. Zurück zum Album. Es enthält 10 Songs und ist kurz und knackig. Knapp eine Stunde Spielzeit.
Die Lieder packen einen, weil es Jerry Cantrell immer wieder gelingt, ihnen die Kraft und Power des Metals einzuflössen. Die erste Single «The One You Know» ist sicher ein sehr gutes Bespiel dafür.
Aber auch William DuVall weiss mit «So Far Under» wie ein AIC-Song zu klingen hat. Ich mag auch «Drone», der satte 6.30 Minuten lang ist und dennoch nie langweilig wird. Die Lieder von Alice in Chains klingen oftmals trotz des metallenen Unterbaus ruhig und hippiesk, vor allem wegen den Harmoniegesängen. Dieser Gegensatz machte für mich immer schon der Reiz der AIC-Songs aus. Auch auf den Songs auf «Rainer Fog» stellt Cantrell die Wucht des Metal seiner Fähigkeit gegenüber, die Songs in grossartige Harmonien, gesungen von DuVall und ihm selbst, abzufedern und ihnen dadurch eine Leichtigkeit zu verpassen. Insgesamt klingen sie für mich auf dem Album muskelbepackter und metallener als auch schon. Ohne aber eben ihre softere Seite zu vergessen. «Fly», der vierte Song, ist mit den AIC typischen Doppelharmonien ausgestattet, welche schon «Your Decision» von Give Black to the Blue und «Voices» vom Dino Album ausgezeichnet haben. Lieder, die näher bei ihren Akustiksachen aus den «Jar of Flies» Zeiten sind.
Die 10 Songs wirken wie aus einem Guss, und ehe man es merkt, ist die Scheibe schon fertig. Lohnt es sich, sie ein weiteres Mal zu hören? Ganz klar ja. Man kann eigentlich nicht anders.
AIC werden vielleicht nicht viel neue Fans dazugewinnen, aber ihre alten Fans werden an diesem Geschenk Freude haben. Ich finde sie grandios und schätze es, wenn eine Band auch nach fast 30 Jahren es noch schafft, gute Alben zu veröffentlichen, welche soundmässig im hier und jetzt stehen.
Das Einzige, was ich mir noch zusätzlich zum neuen Album wünschen würde, wäre ein Bootleg vom Akustikkonzert in Montreux. Vielleicht so als Input an die Plattenfirma. 🙂
Bucketlist : Etwas über Alice in Chains schreiben. Check. Jetzt fehlt mir vom Kleeblatt nur noch Nirvana.
Zur Feier des Tages verlosen wir HIER zwei CDs.
RELEASE: Alice in Chains, Rainier Fog. BMG/Warner. OUT NOW.
(oooooh, Vinyl ist im Eurostore schon ausverkauft!)
Pearl Jam, Tante Käthi, Rockette und Marcel. Oder: Marcels Lieblingsband, Lieblingstante und Lieblingsblog in einem Bild. Wer so in Rom missioniert, darf bei uns auch Rezensionen üben. So ein bisschen Fachwissen steht uns gelegentlich ganz gut.
Bilder: Alice in Chains.